Das verlassene Haus der Nachtigall
Heute gibt es nach einer langen Zeit mal wieder einen Lost Places-Beitrag von mir – die Herbst- und Winterzeit nutze ich nämlich immer, um verlassene Orte zu erkunden. Das Haus der 2011 verstorbenen Opernsängerin wird mittlerweile mit Balken abgestützt. Ein Statiker meinte sogar, dass das Gebäude nicht mehr zu retten sei. Dieses Haus hatte wirklich einiges zu bieten. Schon beim ersten Blick überkam mich eine ordentliche Portion Angst. Sollte ich da wirklich hineingehen? Von außen war das ganze Haus abgestützt, es drohte förmlich einzustürzen. „Was soll's“, dachte ich mir, „du bist den weiten Weg hierher gefahren, jetzt musst du auch rein!“ Eine dringende Bitte an euch: Macht mir das bloß nicht nach! Wenn ihr Lost Places besucht, geht niemals alleine in solche Gebäude – überall lauern Gefahren. Bevor ich das Haus betrat, rief ich meine Freundin an und erzählte ihr genau, wo ich gerade bin – für den Fall, dass mir etwas zustößt.
    
    Aber wie komme ich jetzt ins Haus? Ein kleines Fenster stand offen, aber kaum erreichbar. Also schaute ich mich draußen um, ob ich etwas finden konnte, das mir den Einstieg erleichtert. Leider
    fand ich nichts Brauchbares. Also legte ich meine beiden Kameras aufs Fensterbrett und versuchte wie eine Gazelle durch die kleine Öffnung zu klettern. Mein kaputtes Knie spielte da natürlich so
    gut wie nicht mit – zum Glück hat mich niemand bei diesem akrobatischen Akt beobachtet! Geschafft – nun war ich drin im „verlassenen Haus der Nachtigall“. Ein Lost Place, in dem Rosen eine
    zentrale Rolle spielen. So etwas habe ich wirklich noch nie gesehen: ein verlassenes Haus voller Rosenmotive! Aber keine echten Blumen – nein, Rosen als Muster wohin das Auge reicht. Von den
    Tapeten über Tischdecken bis hin zu Sessel-, Sofa- und Bettbezügen sowie dem Buntglas in den Türen (das leider kaputtgeschlagen wurde). Das verlassene Haus der „Nachtigall“ war rosenverliebt bis
    ins kleinste Detail – einfach unglaublich!
    
    Man spürt hier nicht nur die Leidenschaft für Rosen, sondern auch das nötige Kleingeld für die Einrichtung oder zumindest das, was davon heute noch übrig ist. Kein Wunder, denn die damalige
    Besitzerin war eine erfolgreiche Opernsängerin mit dem Spitznamen „Nachtigall“. Warum ausgerechnet Rosenmuster zur Oper passen sollen, weiß ich zwar nicht – aber jedem seine Passion! Die ihres
    Mannes bezog sich wohl auf Schäferhunde, denn im Haus finden sich zahlreiche Bilder dieser Rasse.
    
    Das Gebäude selbst ist ziemlich verwinkelt, was anfangs etwas verwirrend und auch ein bisschen gruselig wirkt, aber trotzdem irgendwie gemütlich erscheint – sofern man nicht von den Rosenmustern
    erschlagen wird. Die Einrichtung beziehungsweise das, was der Vandalismus noch verschont hat, stammt aus dem letzten Jahrhundert. Überraschenderweise ist das ganze Haus noch komplett eingerichtet
    – ein klares Zeichen dafür, dass sich nach dem Tod der „Nachtigall“ offenbar niemand um den Nachlass gekümmert hat.
    Im Keller herrscht alles andere als Leere: Die Regale sind voll mit Einmachgläsern aus den 90ern und verstaubte Weinflaschen könnten mittlerweile durchaus reif sein für ein genüssliches
    Schlückchen. Das Haus ist stark vom Vandalismus gezeichnet und macht insgesamt einen ziemlich vergammelten Eindruck. Zudem ist es extrem einsturzgefährdet, was mich daran hinderte, alle Räume zu
    betreten. Die obere Etage habe ich dann gar nicht mehr allein betreten – dort machte ich nur ein Foto von der Treppe aus.
    
    Normalerweise bin ich in solchen Häusern nicht besonders ängstlich, doch hier war ich wirklich erleichtert, als ich wieder draußen stand. Ich hielt mich kaum länger darin auf – bin quasi panisch
    durch das Haus gefegt, habe ein paar Fotos geschossen und bin schnell wieder rausgekommen. Der Ausstieg war übrigens viel leichter als der Einstieg – zumindest bis ich feststellte, dass direkt am
    Fenster ein Stuhl stand.
    
    Das Haus wird sowohl von innen als auch von außen abgestützt, damit die Wände nicht einstürzen. Normalerweise mache ich keine Fotos von außen, aber hier mache ich eine Ausnahme – damit ihr sehen
    könnt, wie stabilisiert wird. Draußen angekommen rief ich sofort meine Freundin an und berichtete stolz: „Ich bin heil rausgekommen!“ 
 
    
 
    
